Ein Forschungsteam der Medizinischen Universität Wien, des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) hat eine Miniatur-Blutpumpe zur Behandlung von Kindern mit angeborenen Herzfehlern entwickelt. Diese neue Miniaturpumpe transportiert aktiv Blut aus den Venen des Körpers in die Lunge und ersetzt so funktional den fehlenden rechten Ventrikel. Wenn die Pumpe für den Einsatz am Menschen zugelassen wird, wird sie viele Leben retten.
Marcus Granegger
17. September 2025
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Etwa 10 Prozent aller Kinder mit angeborenem Herzfehler werden mit nur einer funktionierenden Herzkammer geboren. Diese seltene, aber schwerwiegende Fehlbildung wird als univentrikuläre Herzkreislaufphysiologie bezeichnet. Betroffene Patienten benötigen bereits im frühen Kindesalter hochkomplexe Herzoperationen, um überhaupt überleben zu können.
Seit Jahrzehnten gilt die sogenannte Fontan-Operation als Standardtherapie. Dabei werden in mehreren chirurgischen Schritten die großen Hohlvenen – die obere (SVC) und die untere Hohlvene (IVC) – direkt mit den beiden Lungenarterien verbunden. Die einzige funktionierende Herzkammer muss anschließend das Blut allein durch den Körperkreislauf pumpen. Das Blut gelangt passiv, ohne Unterstützung einer zweiten Kammer, in die Lunge.
Diese Methode ist zwar lebensrettend, bringt jedoch erhebliche Langzeitprobleme mit sich. Da die subpulmonale Herzkammer fehlt, entstehen unphysiologische hämodynamische Verhältnisse: Der Druck in den Venen steigt, es kommt zu venösen Stauungen und Flüssigkeitseinlagerungen. Auf Dauer kann dies zu schweren Komplikationen führen – von Lebererkrankungen über Herzrhythmusstörungen bis hin zum kompletten Kreislaufversagen.
Für Patienten mit einem versagenden Fontan-Kreislauf bleibt derzeit nur eine Herztransplantation. Doch Spenderorgane sind rar, und die komplexe Anatomie dieser Patienten macht den Eingriff noch schwieriger. Die Realität: Viele Kinder und Jugendliche mit Fontan-Kreislauf sterben, bevor ein passendes Spenderherz verfügbar ist. Hinzu kommt, dass Experten in den nächsten 20 Jahren eine Verdoppelung der Zahl der Fontan-Patienten prognostizieren.
Eine technische Lösung für ein ungelöstes medizinisches Problem
Vor diesem Hintergrund arbeitet ein interdisziplinäres Forschungsteam an einer völlig neuen Therapieoption: einer miniaturisierten, mechanischen Blutpumpe, die die Funktion der fehlenden subpulmonalen Herzkammer übernehmen kann.
Das Projekt ist eine Kooperation zwischen der Medizinischen Universität Wien (Universitätsklinik für Herz- und thorakale Aortenchirurgie), dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich).
Die technische Leitung liegt bei Dr. Marcus Granegger (MedUni Wien), die medizinische Leitung bei Prof. Daniel Zimpfer (MedUni Wien) und Prof. Michael Hübler (UKE Hamburg). Gemeinsam mit IngenieurInnen und HerzchirurgInnen entwickelten sie eine rotodynamische Miniaturpumpe mit zwei Einlässen und einem Auslass.
Dieses Konzept ist einzigartig: Die Einlässe werden an die obere und untere Hohlvene angeschlossen, der Auslass an die Lungenarterie. Die Pumpe befördert das Blut aktiv von den Körpervenen in die Lunge – und ersetzt so funktionell die fehlende rechte Herzkammer.
Technologische Basis und besondere Herausforderungen
Das System baut auf Technologien auf, die bereits in klassischen Herzunterstützungssystemen für Erwachsene mit Herzinsuffizienz erfolgreich eingesetzt werden. Für den Einsatz bei Fontan-Patienten waren jedoch zwei entscheidende Anpassungen nötig:
- Miniaturisierung – Kinderherzen und -gefäße sind deutlich kleiner, was eine drastische Reduktion der Pumpengröße erfordert.
- Spezielle Strömungsführung – Anders als bei herkömmlichen Pumpen muss das System zwei getrennte Blutströme (aus oberer und unterer Hohlvene) aufnehmen.
Die Entwicklung erforderte daher komplexe Strömungssimulationen (CFD), hämokompatible Konstruktionen und umfangreiche Tests im Labor.
Von der Simulation zum erfolgreichen Tierversuch
In den letzten Jahren wurde das System umfassend vorklinisch erprobt. Zunächst analysierten die Forscher am Computer, wie sich der Fontan-Kreislauf mit Unterstützung der Pumpe verändert. Anschließend wurde die Strömung in der Pumpe im Hinblick auf Blutverträglichkeit untersucht – entscheidend, um Blutgerinnsel oder Zellschäden zu vermeiden.
Nach erfolgreichen Bluttests im Labor erfolgte der entscheidende Schritt: die erste Implantation in einem neu entwickelten Tiermodell am Zentrum für Biomedizinische Forschung der MedUni Wien (Leitung: Prof. Bruno Podesser).
CPAD Steuereinheit
Dabei konnte die Pumpe in Schafen die rechte Herzhälfte vollständig ersetzen – und das über mehrere Stunden hinweg. Die Messungen zeigten: Der Kreislauf wurde stabilisiert, der Lungenblutfluss normalisiert und es kam zu keiner relevanten Blutschädigung.
Der nächste Meilenstein: Langzeittests und klinische Perspektive
Die nächsten Schritte sind klar: Das Team will die Langzeitwirkung dieser Unterstützungstechnologie in weiteren Tiermodellen erforschen. Ziel ist es, die Pumpe so zu optimieren, dass sie langfristig zuverlässig arbeitet, ohne das Blut oder umliegendes Gewebe zu schädigen. Parallel dazu werden Materialien, Energieversorgung und Implantationstechniken weiterentwickelt.
„Unser Ziel ist es, betroffenen Kindern eine Therapie zu bieten, die nicht nur das Überleben sichert, sondern ihnen ein aktives, lebenswertes Leben ermöglicht – ohne die ständige Ungewissheit, ob und wann ein Spenderherz verfügbar ist“, sagen die Forscher.
Hoffnung für eine wachsende Patientengruppe
Sollte sich das System in Langzeittests bewähren, könnte es eine revolutionäre Ergänzung zur bisherigen Fontan-Therapie werden – und tausenden Kindern weltweit eine neue Perspektive eröffnen.
Denn bislang gibt es keine etablierte Alternative zur Herztransplantation für Fontan-Patienten mit Kreislaufversagen. Eine mechanische Unterstützung, die frühzeitig implantiert wird, könnte nicht nur das Fortschreiten der Erkrankung verhindern, sondern auch die Lebensqualität über Jahre hinweg deutlich verbessern.
Das Projekt zeigt eindrucksvoll, wie medizinische Innovation aus interdisziplinärer Zusammenarbeit entstehen kann.