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Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAEU) spielt seit ihrer Gründung im Jahr 2015 eine bedeutende Rolle in den wirtschaftlichen Beziehungen Eurasiens. Obwohl sie offiziell auf ökonomische Zusammenarbeit ausgerichtet ist, werfen Kritiker ihr vor, in erster Linie als Instrument Russlands zu dienen, um seinen politischen Einfluss im postsowjetischen Raum auszubauen – eine Entwicklung, die bei einigen Mitgliedsstaaten der EAEU Besorgnis ausgelöst hat. Da die Union Russland in gewissem Maße die Umgehung westlicher Sanktionen erleichtert, bemüht sie sich um eine Erweiterung ihrer Mitgliedschaft – bislang jedoch ohne Erfolg.

Im Januar 2025 jährte sich die Gründung der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU) zum zehnten Mal. Obwohl die EAEU meist im Hintergrund agiert, spielt sie eine bedeutende Rolle in den wirtschaftlichen und handelsbezogenen Beziehungen Eurasiens. In ihrer Struktur weist sie bemerkenswerte Parallelen zur Europäischen Union auf: So verfügt sie über eine supranationale Kommission sowie über einen gemeinsamen Binnenmarkt, der auf den sogenannten „vier Freiheiten“ basiert – dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften.

In vielerlei Hinsicht unterscheidet sich die Eurasische Wirtschaftsunion jedoch deutlich von der Europäischen Union: Sie wird von Russland dominiert, ist größtenteils auf wirtschaftliche Themen beschränkt und überschneidet sich mit anderen regionalen Organisationen im postsowjetischen Raum – etwa der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (CIS) und der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (CSTO). Die Idee einer eurasischen Wirtschaftsunion wird häufig dem ersten Präsidenten Kasachstans, Nursultan Nasarbajew, zugeschrieben, der bereits 1994 in einer Rede an der Lomonossow-Universität in Moskau die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Integration Eurasiens betonte. In den beiden folgenden Jahrzehnten kam es zu mehreren Anläufen, eine entsprechende regionale Struktur zur Förderung wirtschaftlicher Zusammenarbeit aufzubauen.

Die Gründung der Eurasischen Zollunion (EZU) im Jahr 2010, gefolgt vom Gemeinsamen Wirtschaftsraum im Jahr 2012, legte den Grundstein für den Vertrag über die Eurasische Wirtschaftsunion, der am 29. Mai 2014 von den Präsidenten Weißrusslands, Kasachstans und Russlands unterzeichnet wurde. Im Jahr 2015 traten Armenien und Kirgisistan bei, womit die EAEU zu einer Organisation mit fünf Mitgliedsstaaten wurde. Gemeinsam verfügen die EAEU-Länder über ein Bruttoinlandsprodukt von 2.391,9 Billionen US-Dollar und eine Gesamtbevölkerung von 185,5 Millionen Menschen.

Die EAEU ist offiziell auf wirtschaftliche Themen ausgerichtet und fungiert in erster Linie als Handelsunion. Sie verfügt über eine Entwicklungsbank, ein Schiedsgericht und einen rotierenden Generalsekretärsrat. Der Abbau von Handelsbarrieren seit der Gründung der EAEU führte jedoch nicht zu einem spürbaren Anstieg des innergemeinschaftlichen Handels. So stieg der Anteil des Handels mit EAEU-Partnern am gesamten russischen Außenhandel zwischen 2015 und 2021 lediglich von 8,1 % auf 8,9 %. Trotz der begrenzten Entwicklung bei den Handelszahlen bleibt die EAEU ein wichtiges Instrument für Russland, um politischen Einfluss auf die anderen Mitgliedsstaaten auszuüben.

Vor allem in Kasachstan werfen Kritiker dem EAEU-Beitritt vor, Russlands politischen Einfluss im Land zu stärken, ohne dabei nennenswerte wirtschaftliche Vorteile zu bringen. In der kasachischen Gesellschaft besteht seit Langem Besorgnis über territoriale Ansprüche russischer Politiker auf die russisch geprägten Gebiete im Norden des Landes. Astana verfolgt daher eine außenpolitische Strategie der „multivektoralen Ausrichtung“ – das heißt, es kooperiert mit vielen internationalen Partnern, ohne sich vollständig an einen von ihnen zu binden. Dennoch bleibt Kasachstan wirtschaftlich stark von Russland abhängig und ist bemüht, seinen mächtigen Nachbarn im Norden nicht zu verärgern. Trotz gesellschaftlicher Kritik dürfte die kasachische Regierung daher kaum öffentlich auf die Schwächen der EAEU hinweisen.

Auch Armenien befindet sich in einem diplomatischen Balanceakt. Das Vertrauen in Russland hat dort stark gelitten, seit die russisch geführte CSTO im Krieg um Bergkarabach 2020 und in den darauffolgenden Gefechten zwischen Armenien und Aserbaidschan nicht eingegriffen hat. Jerewan bemüht sich seither um eine breitere außenpolitische Ausrichtung und hat seine Beziehungen zu Indien, Frankreich, der EU und den USA intensiviert – sehr zum Missfallen Moskaus. Am 9. Januar 2025 erklärte der russische Vizepremierminister Alexei Overchuk, Russland sehe in Armeniens Annäherung an die EU den Beginn eines möglichen Austritts aus der EAEU. Ministerpräsident Nikol Pashinyan steht damit politisch unter Druck: Trotz seiner Bemühungen um eine diversifizierte Außenpolitik bleibt Armenien stark von Russland abhängig – insbesondere im Energiesektor. Zudem hat sich der bilaterale Handel mit Russland zwischen 2021 und 2024 nahezu verdreifacht. Solange diese wirtschaftliche Abhängigkeit besteht, erscheint ein Austritt aus der Zollunion der EAEU wenig wahrscheinlich.

Seit der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 hat der Handel über die EAEU für Russland stark an Bedeutung gewonnen. Zwar haben Kasachstan, Kirgisistan und Armenien die westlichen Sanktionen formell übernommen, doch halten sich Sorgen über Umgehungsgeschäfte durch diese EAEU-Staaten – insbesondere im Bereich von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck – weiterhin hartnäckig. Während die niedrigen Handelsbarrieren der EAEU vor dem Ukrainekrieg kaum zu einer Intensivierung des Binnenhandels führten, ermöglichen sie Russland seit Beginn des Konflikts zumindest auf dem Papier alternative Handelsrouten. So stiegen etwa die Exporte von Mobiltelefonen und Elektronik aus Kasachstan nach Russland von rund 36.800 US-Dollar im Jahr 2021 auf über 575 Millionen US-Dollar im Zeitraum Januar bis Oktober 2022. Der Exportwert von Autos aus Armenien nach Russland wuchs zwischen Januar 2022 und Januar 2023 von 800.000 US-Dollar auf 180 Millionen US-Dollar.

Russland bemüht sich aktiv darum, die Mitgliedschaft in der EAEU auszuweiten, um seinen Einfluss im postsowjetischen Raum zu stärken. Usbekistan hat derzeit Beobachterstatus in der EAEU, widersetzt sich jedoch bislang dem russischen Druck, Vollmitglied zu werden. Auch Tadschikistan hat trotz intensiver Bemühungen von Außenminister Sergej Lawrow abgelehnt, der Union beizutreten. Neben der Erweiterung der Mitgliedschaft hat die EAEU bilaterale Freihandelsabkommen mit Vietnam, Singapur, Serbien und dem Iran geschlossen. Weitere Verhandlungen über Freihandelsverträge laufen derzeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten, Indonesien und Indien. Da Russland als Mitglied einer Zollunion keine eigenständigen Freihandelsabkommen unterzeichnen kann, nutzt es die EAEU gezielt, um seine Beziehungen zu nicht-westlichen Staaten auszubauen und seine Wirtschaft trotz westlicher Sanktionen am Laufen zu halten. In diesem Sinne bleibt die EAEU – trotz interner Schwächen – als Handelsorganisation von hoher strategischer Relevanz.

Bild: Russland, Moskau, 8. Mai 2024 – EAEU-Vorstandsvorsitzender Bakytzhan Sagintayev, Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel, Armeniens Premierminister Nikol Pashinyan sowie die Präsidenten Alexander Lukaschenko (Belarus), Wladimir Putin (Russland), Kassym-Schomart Tokajew (Kasachstan), Sadyr Dschaparow (Kirgisistan) und Schawkat Mirsijojew (Usbekistan, v. l. n. r.) posieren nach einem Treffen des Obersten Eurasischen Wirtschaftsrats im Moskauer Kreml. © IMAGO / ITAR-TASS
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