Das Wien der Wende zum 20. Jahrhundert gilt bis heute als kulturelle Hochburg seiner Zeit. Obwohl die Habsburg Monarchie damals bereits am Abklingen war und die einzelnen Staaten des Österreich-Ungarn Reiches nach Unabhängigkeit strebten, war Wien dennoch der Hotspot für Intellektuelle, Künstler und Wissenschaftler aus ganz Europa. Viele Disziplinen wie Malerei, Literatur, Musik, Architektur, Psychologie und Philosophie bahnten sich ihren Weg und beeinflussen die westliche Welt bis heute. Das Wiener Leopold Museum widmet dieser beeindruckenden Epoche die Dauerausstellung „Wien 1900“.
Alexandra Dubsky
12. Februar 2025
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Die Ausstellung „Wien 1900“ im Leopold Museum erstreckt sich über drei Ebenen und umfasst rund 1300 Exponate. Sie zeigt sehr eindrucksvoll die kulturellen und intellektuellen Errungenschaften dieser Ära. Präsentiert werden sowohl Meisterwerke aus der Sammlung des Leopold Museums also auch Dauerleihgaben nationaler und internationaler Sammlungen. Dabei wird die künstlerische Pracht der Wiener Modernen im Kontext ihrer intellektuellen Tiefe greifbar dargestellt.
Spezieller Fokus der Ausstellung liegt auf der „Wiener Secession“, die 1897 von den Künstlern Gustav Klimt, Koloman Moser, Josef Hoffmann, Joseph Maria Olbrich, Max Kurzweil und Anderen als Abspaltung (Secession) vom Wiener Künstlerhaus gegründet wurde, da die Künstler den traditionell dominierenden Konservatismus des Kunstbegriff ablehnten und sich der Modernen verschrieben.
Ausstellungsplakat, Secession
Grünes Stadtbahngeländer
Marie von Ebner- Eschenbach, Sigmund Freud, Franz Kafka, Adolf Loos, Stefan Zweig, Otto Wagner, und viele andere geniale Köpfe lebten alle im Wien der Jahrhundertwende, ein pulsierender Ort, an dem der Glanz des Hochadels kontrastreich auf die Armut der Unterschichten, der Antisemitismus auf den beginnenden Zionismus und starre Traditionen auf den Geist der Moderne trafen. Josef Hoffmanns Architektur und die Entwürfe des Wiener Jugendstils sowie Arnold Schönbergs „Emanzipation der Dissonanz“ als auch Freuds Theorie des Unbewussten sind Beispiele für die epochale Dynamik dieser Zeit.
Zeitgleich entwarfen prominente Architekten wie Otto Wagner, Josef Hoffmann, Adolf Loos oder Joseph Maria Olbrich an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert weltberühmte Bauwerk der Donaumetropole wie beispielsweise das Secessionsgebäude, die Postsparkasse oder das Looshaus. An erster Stelle war es Otto Wagner, der das Wiener Stadtbild bis heute maßgebend beeinflusst. Er entwickelte eine geometrische Interpretation des Jugendstils, die sich durch klare, symmetrische Bauformen auszeichnet, funktional und dennoch elegant. Zu seinen bedeutendsten Bauten in Wien zählen die Stationen, Brücken und Geländer der ehemaligen Stadtbahn (heute die U-Bahn-Linien U4 und U6), das Musenhaus an der Wienzeile, die Kirche am Steinhof sowie die ikonische Postsparkasse.
Die Maler Gustav Klimt und Egon Schiel sind weitere Highlights der Ausstellung, neben ihrer Kurzbiographie sind viele, auch weniger bekannte Werke der beiden Künstler ausgestellt.
Gustav Klimt
Egon Schiele, Selbstportrait
Koloman Moser, Entwurf für die österreichische Jubiläumsbriefmarke von Kaiser Franz Josef 1848 – 1908
„Gustav Klimt galt als der absolute Gesellschaftsmaler seiner Zeit, jedes wohlhabende Mitglied des Wiener Geld- und Industrieadels, oftmals jüdische Bürger, hat ihn mit Porträtwerken beauftragt,“ sagte die ausstellungsbesuchende Kunsthistorikerin Susanne W. gegenüber Iglobe News.
Die Werke seines Schülers Egon Schiel galten seinerzeit jedoch als „pornographisch“ und wurden vom damaligen Bürgertum weitaus weniger geschätzt, fügte sie hinzu.
Künstlerisch machte Schiele 1910 eine radikale Entwicklung weg vom sezessionistischen Jugendstil hin zu seinem ausdrucksstarken Expressionismus, der die Krise seiner Identitätsfindung veranschaulicht.
Josef Hoffmann, Liegestuhl
Josef Hoffmann, Gläser
Plakat zu einer Ausstellung der Wiener Werkstätte
Einem gesamten Stock der Ausstellung sind die Werke Josef Hoffmanns gewidmet, der 1903 gemeinsam mit Koloman Moser die „Wiener Werkstätte“ gründete. Präsentiert wird das damalige Sanatorium Westend in Purkersdorf (1904/5). Hoffmann hatte den Auftrag bekommen, die komplette Anlage inklusive der Innenausstattung als Gesamtkunstwerk zu entwerfen. Der Auftraggeber und Bauherr war Victor Zuckerkandl, der Schwager der Salondame und berühmten Journalistin Berta Zuckerkandl, einer großen Verfechterin der Wiener Moderne.
Neben Fotografien der berühmten „Wasserheilanstalt“ werden einige Möbel- und Designstücke von Hoffmann, Moser und dem Zeitgenossen Oskar Kokoschka ausgestellt, die den formidablen, verspielten Character des Wiener Jungendstils veranschaulichen.
Josef Hoffmann, Stuhl in der Wasserheilanstalt
Wasserheilanstalt konzipiert von Josef Hoffmann
Museumsdirektor Hans-Peter Wipplinger hat die Ausstellung in Zusammenarbeit mit Experten aus verschiedenen Fachbereichen sehr eindrucksvoll kuratiert. Das Ergebnis ist eine bemerkenswerte Hommage an das Wien um 1900, eine Stadt, die durch ihren unvergleichlichen kulturellen Beitrag bis heute als Quelle der Inspiration und Innovation gilt.