Norwegen, Island und Japan setzen ihre umstrittene Jagd auf Wale und Delfine trotz weltweiter Kritik fort. Angetrieben wird sie heute weniger von Tradition als von wirtschaftlichen Interessen. Diese Praktiken stehen im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, ethischen Maßstäben und der öffentlichen Meinung, schädigen marine Ökosysteme und belasten zugleich das internationale Ansehen der beteiligten Länder. Island ist bislang das erste Jagdland, das zurückgerudert ist – im Jahr 2025 wurden dort keine Wale getötet.
Daniella Vanova
9 December 2025
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Seit Jahrzehnten stehen Wale und Delfine für Staunen, Intelligenz und die wilde Schönheit der Meere. Doch im Jahr 2025 stellen sich drei Länder – Norwegen, Island und Japan – weiterhin gegen die weltweiten Bemühungen, diese Tiere zu schützen. Während Norwegen und Island trotz schwindender wirtschaftlicher Bedeutung und anhaltender Kritik an der kommerziellen Waljagd festhalten, setzt Japan die berüchtigten Delfintreibjagden von Taiji fort, bei denen ganze Delfinfamilien getötet oder lebend gefangen werden.
Zusammen stehen diese Praktiken für ein zunehmend überholtes Verhältnis zur marinen Tierwelt – eines, das mit ethischen Maßstäben, wissenschaftlichen Erkenntnissen und der öffentlichen Meinung kollidiert.
Taiji, Japan: Tötung und Lebendfang von Delfinen und Grindwalen
Jedes Jahr von September bis März wird Taiji zum Brennpunkt weltweiter Empörung. Fischer treiben Delfinschulen in die berüchtigte Bucht, indem sie mit Metallstangen unter Wasser schlagen und so eine Wand aus desorientierendem Lärm erzeugen. Einmal eingeschlossen, stehen die Tiere vor zwei Schicksalen: der Tötung für den Fleischverkauf oder dem Lebendfang für Delfinarien und Meeresparks.
Am 27. Oktober wurden zwei Gruppen in die Bucht getrieben: rund 30 Große Tümmler und etwa 20 Grindwale. Am folgenden Tag zeigte sich der brutale Zweck der Jagd. Sieben junge Große Tümmler wurden für den Lebendfang ausgewählt, wegen ihres hohen Marktwerts für Aquarien. Die übrigen Tiere erlebten Stunden der Panik, der Trennung und völliger Erschöpfung. Einige wurden getötet, andere schwer traumatisiert und verletzt zurück ins offene Meer gezwungen.
AktivistInnen vor Ort dokumentierten das Geschehen; zunehmend auch mit Drohnenaufnahmen, die inzwischen in Gerichtsverfahren verwendet werden. Das Filmmaterial zeigt das Chaos im flachen Wasser. Die angewandte Tötungsmethode – bei der ein Metallstab in das Rückenmark eingeführt wird, um den Delfin zu töten und den Blutfluss zu verbergen – entlarvt den Grausamkeitsgehalt hinter Taijis Behauptung, es handele sich um eine humane Praxis.
Während einige Jäger die Treibjagd als Tradition rechtfertigen, zeigen Untersuchungen des Dolphin Project und der Life Investigation Agency, dass die heutige Praxis auf Gewinn ausgerichtet ist, nicht auf kulturelles Erbe. Ein einzelner lebend gefangener Großer Tümmler kann auf dem internationalen Unterhaltungsmarkt über 100.000 US-Dollar erzielen – der Lebendfang ist damit der wirtschaftliche Motor der gesamten Jagd.
Delfinfleisch aus Taiji weist häufig gefährlich hohe Quecksilberwerte auf, wird jedoch weiterhin lokal verkauft. Versuche, die Brutalität der Jagden zu verschleiern, umfassten lange Zeit eingeschränkte Filmaufnahmen und begrenzten öffentlichen Zugang. Inzwischen haben jedoch japanische Gerichte begonnen, Taiji zur Herausgabe von Jagdunterlagen zu verpflichten – ein wichtiger Schritt hin zu mehr Transparenz.
Dennoch zeigen die Ereignisse vom 27. Oktober, wie tief die Jagd weiterhin verankert ist – angetrieben von der globalen Aquariumindustrie. Wie Tierschutzorganisationen immer wieder betonen: „Ohne Gefangenschaft würde die Treibjagd von Taiji enden.“
Norwegen: Tötung von Zwerg-, Finn- und Seiwalen
Im Jahr 2025 erhöhte Norwegen seine selbst festgelegte Quote für Zwergwale auf 1406 Tiere. Zur Begründung verwies die Regierung auf wissenschaftliche Modelle sowie auf nicht ausgeschöpfte Quoten aus den Vorjahren. Gleichzeitig bricht die Nachfrage nach Walfleisch weiter ein:
2024 wurden lediglich 415 Wale getötet.
Nur rund zwei Prozent der NorwegerInnen konsumieren regelmäßig Walfleisch.
Ein Großteil der Beute wird nach Japan exportiert oder an ahnungslose TouristInnen verkauft.
Die norwegische Regierung verteidigt die Praxis weiterhin als nachhaltiges Fischereimanagement. MeeresbiologInnen weisen jedoch darauf hin, dass Wale zur Gesundheit der Ozeane beitragen, indem sie Nährstoffe recyceln und Fischbestände fördern – und damit dem Narrativ widersprechen, Wale stünden in Konkurrenz zur Fischerei.
Auch tierschutzrechtlich bleiben die Probleme gravierend. Viele Wale sterben nach dem Harpunieren erst nach langem Leiden. Dennoch hält Norwegen an seinem Einspruch gegen das Moratorium der Internationalen Walfangkommission (IWC) fest und operiert damit außerhalb des globalen Konsenses.
Kritiker argumentieren, die Politik diene vor allem symbolischen Zwecken und lasse sich weder ökonomisch noch kulturell überzeugend rechtfertigen.
Island: Tötung von Zwerg-, Finn- und Seiwalen
Islands Walfangprogramm, das weitgehend von einem einzigen Unternehmen, Hvalur hf., dominiert wird, befindet sich seit Jahren im Niedergang. 2024 sank die Quote für Finnwale auf 128 Tiere, die Jagden verliefen nur noch sporadisch. Umfragen zeigen inzwischen, dass mehr als 50 Prozent der IsländerInnen den Walfang ablehnen. Das wichtigste isländische Finnwaljagdunternehmen, Hvalur hf., sagte seine Fangsaison für 2025 vollständig ab.
Der Walbeobachtungstourismus erzielt hingegen nahezu doppelt so hohe Einnahmen wie der Walfang und ist zu einer tragenden Säule von Islands Ökotourismus geworden.
Gleichwohl bleiben die ethischen Bedenken gravierend. Ermittlungen dokumentierten Fälle, in denen Finnwale bis zu zwei Stunden lang litten, bevor sie starben – was im In- und Ausland scharfe Kritik auslöste.
Dennoch vergibt die Regierung weiterhin Jagdlizenzen und beruft sich dabei auf Rechtmäßigkeit und Tradition. Für viele IsländerInnen steht diese Praxis jedoch nicht mehr im Einklang mit den nationalen Werten oder den wirtschaftlichen Interessen des Landes.
Das Unrecht rechtfertigen
So unterschiedlich Geografie und Tierarten auch sind, die Jagden in Norwegen, Island und Japan weisen bemerkenswerte Gemeinsamkeiten auf:
Wirtschaftliche Interessen überwiegen kulturelles Erbe: Während Regierungen häufig auf Tradition verweisen, zeigen heutige Fakten, dass kommerzielle Motive den Ausschlag geben: Walfleischexporte in Norwegen, tourismuspolitische Interessen in Island und der Verkauf lebend gefangener Delfine in Japan.
Ethische Bedenken nehmen zu: Mit dem wachsenden wissenschaftlichen Verständnis für die Intelligenz von Walen und Delfinen sinkt die gesellschaftliche Akzeptanz ihrer Tötung. In allen drei Ländern lehnen insbesondere jüngere Generationen diese Praktiken deutlich ab.
Die Wissenschaft untergräbt die Rechtfertigungen: Entgegen lange vertretenen Behauptungen stärken Wale und Delfine marine Ökosysteme, fördern Biodiversität und den Nährstoffkreislauf. Ihre Tötung schwächt die Widerstandsfähigkeit der Ozeane.
Der internationale Ruf leidet: Die Fortsetzung dieser Jagden bringt die beteiligten Staaten in Gegensatz zu globalen Naturschutzstandards und wirkt sich auf Diplomatie, Tourismus und öffentliche Wahrnehmung aus.
Die Ereignisse vom 27. Oktober 2025 in Taiji machen deutlich, dass Delfine weiterhin aus Profitgründen grausamen Praktiken ausgesetzt sind. Gleichzeitig halten Norwegen und Island an Walfangprogrammen fest, denen es an wirtschaftlicher Notwendigkeit fehlt und die sowohl wissenschaftlichen Erkenntnissen als auch gesellschaftlichen Wertvorstellungen widersprechen.
Zu einer Zeit, in der Wale und Delfine zunehmend als unverzichtbar für die Gesundheit der Ozeane anerkannt werden und moralische Berücksichtigung erfahren, wirken diese Praktiken überholt und aus der Zeit gefallen. Diese Meeressäuger sind hochintelligent und leben in komplexen, lebenslangen sozialen Bindungen innerhalb ihrer Familienverbände.
Eine Zukunft, die auf verantwortungsvoller Meeresbewirtschaftung beruht, ist nicht nur möglich, sondern dringend notwendig. Ein Ende der Delfintreibjagden in Taiji sowie der kommerziellen Walfänge in Norwegen und Island wäre ein entscheidender Schritt, um politische Praxis mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, Mitgefühl und den Werten einer Welt in Einklang zu bringen, die zunehmend danach strebt, die ikonischsten und intelligentesten Bewohner der Ozeane zu schützen statt sie auszubeuten.






