Ursula von der Leyens Prestigeprojekt war der Green New Deal. Es überrascht daher kaum, dass die EU-Kommission grüne und eher links orientierte NGOs massiv förderte, um strenge Umwelt- und Gesundheitsvorgaben voranzutreiben – insgesamt im Umfang von 5,4 Milliarden Euro. Nach einem investigativen Bericht der Welt untersucht nun das Europäische Parlament die betreffenden Organisationen. Zudem hat eine Interessenvertretung der EU-Steuerzahler Strafanzeige bei der deutschen Staatsanwaltschaft und der Europäischen Staatsanwaltschaft gegen zwei von der Leyens Kommissare eingereicht. Der Grund: ihrer mutmaßlichen Rolle in diesem unrechtmäßigen Fördergeflecht.
Angeladora Novi
22 October 2025
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Die Europäische Kommission steht unter verstärkter Beobachtung, nachdem ihr vorgeworfen wird, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) finanziert zu haben, die im Europäischen Parlament für ihre Klimapolitik lobbyierten. Die Debatte entzündete sich im Februar 2025, als Abgeordnete der Europäischen Volkspartei (EVP) im Haushaltskontrollausschuss des Parlaments (CONT) behaupteten, die Kommission habe öffentliche Gelder eingesetzt, um UmweltaktivistInnen zu veranlassen, in ihrem Namen für den Green Deal zu werben. Der Vorwurf steht im Raum, dass das Exekutivorgan der EU seine Macht missbraucht und Steuermittel zweckentfremdet habe – anstatt das allgemeine Interesse der Union zu vertreten.
Im Juli 2025 reichte eine Interessenvertretung europäischer Steuerzahler Strafanzeigen bei der deutschen Staatsanwaltschaft und bei der Europäischen Staatsanwaltschaft in Luxemburg ein. Die Beschwerden richten sich gegen die ehemaligen EU-Kommissare Frans Timmermans und Virginijus Sinkevičius und fordern Ermittlungen zu ihrer mutmaßlichen Rolle bei unrechtmäßigen Zahlungen an NGOs. Timmermans und Sinkevičius hatten in der ersten Amtszeit von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (2019 bis 2024) zentrale Funktionen inne: Timmermans als ersterVizepräsident und Kommissar für Klimaschutz, Sinkevičius (inzwischen Europaabgeordneter der linken Union for Democrats) als Kommissar für Umwelt und Meere.
NGOs wie ClientEarth und Friends of the Earth Europe wiesen die Vorwürfe zurück. Die finanzielle Unterstützung der Kommission diene dazu, eine inklusive Debatte über die EU-Politik zu fördern; ihre operative Arbeit bleibe vollständig unabhängig. Zugleich erklärte die EU-Exekutive, dass keine der im Zusammenhang mit diesen NGOs vertraglich vereinbarten Aktivitäten illegal sei. Zudem betonte die Kommission, die Organisationen trügen die volle Verantwortung für ihr Handeln – einschließlich ihres Lobbyings – und die Kommission könne dafür unter keinen Umständen haftbar gemacht werden.
Politico Europe verglich die 28 Verträge zwischen der Kommission und den NGOs und kam zu dem Schluss, dass es keinerlei Hinweise darauf gebe, dass die geförderten Organisationen verpflichtet gewesen wären, sich inhaltlich an den Interessen der Kommission auszurichten oder in ihrem Namen im Parlament zu lobbieren. Bemerkenswert ist jedoch, dass AllSides Media Bias Rating™ Politico als „lean left“ – also leicht linksorientiert – einstuft. Diese Bewertung wurde von Martín Varsavsky, Vorstandsmitglied bei Axel Springer, bestätigt, der im Mai 2025 zurücktrat, nachdem er Politico eine linke Schlagseite vorgeworfen hatte. Politico war 2021 für über eine Milliarde US-Dollar von Axel Springer SE übernommen worden.
Bei den umstrittenen Mitteln handelt es sich um Gelder aus dem LIFE-Programm, dem Förderinstrument der EU für Umwelt- und Klimaschutz. Für den Zeitraum 2021 bis 2027 hat die EU dafür 5,4 Milliarden Euro eingeplant, um Projekte zur grünen Transformation, zur Kreislaufwirtschaft, zu nachhaltiger Entwicklung sowie zum Schutz von Biodiversität und Ökosystemen zu unterstützen. Von diesen 5,4 Milliarden Euro wurden rund 15,6 Millionen Euro als Betriebskostenzuschüsse für gemeinnützige und europäische non-profit Organisationen reserviert, die im Bereich Umwelt- oder Klimaschutz tätig sind.
In diesem Rahmen können NGOs bis zu 700.000 Euro erhalten – unter anderem für politische Interessenvertretung, operative Tätigkeiten und Verwaltungskosten. Befürworter der Rechtmäßigkeit dieser Zuschüsse betonen, dass diese gemeinnützigen Organisationen eine zentrale Rolle dabei spielen, das Verständnis der BürgerInnen für Umweltthemen zu stärken und die Beteiligung der Zivilgesellschaft an politischen Entscheidungsprozessen zu fördern. Dies diene einem offenen Dialog und demokratischen Werten.
Neue Dynamik erhielt die Debatte, als die Welt am Sonntag im Juni 2025 einen Bericht veröffentlichte, in dem sie der Kommission vorwarf, „geheime Verträge“ mit Umwelt-NGOs abgeschlossen und ihnen bis zu 700000 Euro gezahlt zu haben, um die Klimapolitik der Kommission zu unterstützen.
Nach Angaben der Welt stützen sich die Vorwürfe auf vertrauliche Verträge aus dem Jahr 2022 zwischen der Kommission und ClientEarth sowie zwischen der Kommission und Friends of the Earth Europe. Demnach soll ClientEarth rund 350000 Euro erhalten haben, um rechtliche Schritte gegen deutsche Kohlekraftwerksbetreiber einzuleiten oder zu unterstützen – mit dem Ziel, politische Vorhaben voranzubringen, die mit dem EU-Green Deal übereinstimmen.
Das deutsche Medium berichtete außerdem, dass Kommissionsbeamte dieselbe NGO beauftragt hätten, gegen das Mercosur-Abkommen – das Freihandelsabkommen zwischen Europa und Südamerika – zu mobilisieren. Eine solche Handelsbeziehung könnte nach Ansicht von Kritiker*innen erhebliche Umweltauswirkungen haben, da sie den Export landwirtschaftlicher Produkte steigern und damit die Abholzung im Amazonasgebiet weiter vorantreiben könnte. Gleichzeitig drängt die Europäische Kommission derzeit auf Unterzeichnung und Ratifizierung des Abkommens, um eine große globalen Freihandelszone zu schaffen. Europas Landwirte befürchten hingegen, dass die zusätzlichen Importe ihren heimischen Markt unter Druck setzen würden.
Als Reaktion auf die wiederholten Vorwürfe erklärte die Leiterin des deutschen ClientEarth-Büros, Dr. Christiane Gerstetter, dass die im Rahmen des LIFE-Programms erhaltenen EU-Mittel dazu dienten, teilweise die internen Abläufe und das Personal der Geschäftsstelle zu finanzieren. Sie stellte zudem klar, dass die finanzielle Unterstützung nicht für externe Prozesskosten bestimmt gewesen sei.
In einer jüngsten Entwicklung im September 2025 forderte die Kommission – nachdem sie eine Überprüfung aller 28 Vereinbarungen mit den im LIFE-Programm geförderten NGOs veranlasst hatte – die Organisationen auf, einer Änderung ihrer Förderverträge zuzustimmen. Doch laut einem Schreiben von Haushaltskommissar Piotr Serafin (Table Briefings) lehnten sämtliche NGOs eine einvernehmliche Anpassung ab.
Als Reaktion auf die anhaltende Debatte richtete das Europäische Parlament im Juni 2025 eine Arbeitsgruppe ein, die die EU-Finanzierung von NGOs untersuchen soll. Die Initiative wurde von der Europäischen Volkspartei (EVP) vorangetrieben und von den Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR) sowie der rechtsaußen angesiedelten Patriots for Europe (PfE) unterstützt. Wenig überraschend stimmten die Sozialdemokraten, Renew Europe, die Grünen und die Linksfraktion dagegen. Aus Sicht der linken Parteien handelt es sich bei der Untersuchung um einen weiteren Versuch der Rechten, den Druck auf NGOs zu erhöhen, die eine grüne oder linksorientierte Agenda vertreten.
Die Arbeitsgruppe, die im Haushaltskontrollausschuss (CONT) des Parlaments angesiedelt ist und aus 13 Abgeordneten besteht, wird von dem deutschen Europaabgeordneten Niclas Herbst geleitet, gemeinsam mit zwei Mitberichterstattern aus EVP und ECR. Ihr sechsmonatiges Mandat mündet in einen Bericht, der die Ergebnisse der Analyse sämtlicher Verträge zwischen der Kommission und den beteiligten NGOs zusammenfasst.
Die Maßnahme wurde als gemäßigtere Antwort auf den Vorschlag der ECR eingebracht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen – ein Vorhaben, das von prominenten NGOs wie dem World Wide Fund for Nature (WWF) kritisiert wurde. Ein Untersuchungsausschuss ist ein deutlich eingreifenderes Instrument, das als eigenständiges Gremium im Parlament arbeitet und schwerwiegendere Vorwürfe prüft, etwa Verstöße gegen EU-Recht. Aufgrund ihres starken Mandats wurden solche Ausschüsse in der Vergangenheit nur in Ausnahmefällen eingesetzt.
Von der Leyen, die bereits zwei Misstrauensvoten überstanden hat, dürfte weiterer Kritik ausgesetzt sein, wenn die Arbeitsgruppe die Fördermittel untersucht und die Strafverfahren gegen Frans Timmermans und Virginijus Sinkevičius voranschreiten.






