Die Täuferbewegung feiert 2025 sein 500-jähriges Jubiläum. Das Vermächtnis des Jakob Hutter – die Freikirchen der Welt. Seine Bewegung war Vorreiter eines selbstbestimmten Glaubensbekenntnisses. Heute feiert die Katholische Kirche die Täuferbewegung mit vielen Veranstaltungen. Durch seine Glaubensstärke und Überzeugungskraft hat Hutter es geschafft, die Katholische Kirche über viele Jahrhunderte zu reformieren. Ein Erfolg den nicht viele für sich verzeichnen können.
Miriam Eulert
23. Dezember 2025
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Im Jahr 2025 wurde das 500-jährige Jubiliäum der Täuferbewegung weltweit gefeiert. Heute lebt die Mehrheit von rund 50.000 Hutterern in Kanada (ca. 70 %) und den USA und nicht mehr in Europa. Der Ursprung dieser christlichen Gemeinschaft kommt aus dem westlichen Bundesland Österreichs, Tirol. Die Hutterer sind eine täuferische Glaubensgemeinschaft, die oft mit den Amischen und Mennoniten in eine Kategorie eingeordnet wird.
Heute werden diese Bewegung von der Katholischen Kirche gefeiert. Die Katholische Kirche sieht heute die Täuferbewegung des 16. Jahrhunderts als Wurzel der heutigen Freikirchen, die eine “bibelorientierte Lebensweise, die Glaubenstaufe, Religions- und Gewissensfreiheit, das Priestertum aller Gläubigen, Friedenswille, gerechte Gesellschaftsformen sowie die Trennung von Kirche und Staat” anerkennt. Seit 2013 umfasst in Österreich die staatlich anerkannten Freikirchen alle Kirchengemeinden, “die dem Bund der Baptistengemeinden in Österreich, dem Bund Evangelikaler Gemeinden in Österreich, den Elaia Christengemeinden, der Freien Christengemeinde-Pfingstgemeinde in Österreich oder der Mennonitischen Freikirche Österreich angehören”. Insgesamt gehören geschätze 40.000 Gläubige dieser Kirchen an.
Zur Lebenzeit des Jakob Hutters wurde seine Glaubensgemeinschaft als Ketzertum tituliert. Sie wurden schonungslos von der Obrigkeit und der Kirche verfolgt und hingerichtet.
Innsbruck, Februar 1536. Vor dem Goldenen Dachl wird Jakob Hutter am Scheiterhaufen verbrannt. Der Südtiroler Täuferführer hatte sich geweigert, seinen Glauben zu widerrufen. Nach Tagen schwerer Folter stirbt er in der Öffentlichkeit durch Verbrennung– ein demonstrativer Akt im Beisein habsburgischer Beamter, vor der Bevölkerung. Der Vorwurf: Ketzerei. Hutter hatte in Tirol und Mähren eine Gemeinschaft aufgebaut, die Gewalt ablehnte, Besitz teilte und Erwachsene taufte. Für die Behörden war dies Grund genug für die Todesstrafe.
Die Täuferbewegung entstand 1525 in Zürich, als sich eine kleine Gruppe reformatorisch Gesinnter von Ulrich Zwingli abspaltete. Anlass war ein Streit über die Kindertaufe. Die Täufer lehnten sie ab. Die Taufe, so ihre Auffassung, dürfe nur auf Grundlage eines persönlichen Glaubensbekenntnisses erfolgen – eine bewusste Entscheidung, nicht ein administrativer Akt.
Dieser Schritt stellte die religiöse Praxis der Zeit infrage. Religion war keine Privatsache. Wer getauft wurde, wurde Teil einer Konfession – und damit auch einer gesellschaftlichen Ordnung. Die Erwachsenentaufe entzog sich dieser Logik.
Für Habsburger, kirchliche Eliten und selbst für viele Reformatoren ist das, was Hutter und Täufer predigen, eine Provokation: Erwachsenentaufe, freiwilliger Glaube, Gewaltlosigkeit. Sie wagten gar, die selbstverständliche Einheit von Kirche und Staat infrage zu stellen.
Die Bewegung forderte keine Trennung von Kirche und Staat im heutigen Sinn, aber sie entzog sich bewusst der herrschaftlich organisierten Kirche. Die Täufer lehnten eine obrigkeitlich gesteuerte Religion ab und praktizierten ihren Glauben außerhalb der bestehenden kirchlich-staatlichen Ordnung – ein Schritt, der als Angriff auf das gesellschaftliche Gefüge gewertet wurde.
Die Bewegung orientierte sich an der Bergpredigt. Gewaltverzicht, Gütergemeinschaft, Wahrhaftigkeit. Der Schwur wurde abgelehnt, der Kriegsdienst verweigert, Besitz geteilt. Wer sich taufen ließ, verpflichtete sich zu einem gewaltfreien Leben und zur Ablehnung staatlicher Autorität in Glaubensfragen. Die meisten Täufer lebten in einfachen sozialen Verhältnissen – als Bauern, Handwerker, Tagelöhner. Ihre Lebensweise stellte bestehende Hierarchien infrage. Kirche, Adel und selbst viele Reformatoren reagierten mit Ablehnung.
In den habsburgischen Erblanden folgte auf die ersten Taufen eine systematische Verfolgung. In Tirol, wo sich die Bewegung rasch verbreitete, wurden Täufer durch landesfürstliche Mandate verfolgt und bestraft. Die Habsburger erklärten die Erwachsenentaufe zur Straftat. Wer sich nicht fügte, wurde inhaftiert, gefoltert oder hingerichtet. Auch wer Täufern Unterschlupf gewährte, musste mit Strafen rechnen.
Radierung, 18. Jahrhundert, unbekannter Autor – Bookscan. Jakob Hutter, Gründer der Hutterer. © Gemeinfrei
Jakob Hutter war zu diesem Zeitpunkt bereits eine wichtige Figur der Bewegung. In Mähren hatte er eine Lebensgemeinschaft aufgebaut, in der Besitz gemeinschaftlich verwaltet wurde. Hutter wurde 1535 in Klagenfurt festgenommen, nach Innsbruck überstellt und dort mehrere Tage lang verhört und gefoltert. Eine Aussage verweigerte er bis zuletzt. Die Hinrichtung erfolgte am 25. Februar 1536. Heute erinnert eine Gedenktafel am Goldenen Dach an sein Vermächtnis.
Die Repression hatte weitreichende Folgen. Viele Täufer flohen aus Österreich. Ihre Netzwerke verlagerten sich nach Mähren, Sachsen, Holland und später nach Nordamerika. Die Verfolgung führte zur geografischen Verbreitung der Bewegung – und zu ihrer strukturellen Konsolidierung. In zahlreichen Regionen entwickelten sich täuferische Siedlungen mit stabilen sozialen Ordnungen. In der Nachfolge Hutters entstanden in Osteuropa sogenannte Bruderhöfe – kollektiv organisierte Gemeinschaften mit gemeinsamen Gütern, eigener Schule und religiöser Autonomie. Einzelne Täufer entzogen sich gar allen Formen der sozialen Ordnung – “die ersten Hippies” nennt sie Thomas Kaufmann von der Universität Göttingen.
Eine Ausnahme in der Geschichte der Bewegung bildete das Täuferreich von Münster. In der westfälischen Stadt übernahmen 1534 radikale Täufergruppen die Macht. Unter Jan van Leiden wurde ein theokratisches Regime eingerichtet. Besitz wurde enteignet, Polygamie eingeführt, abweichende Stimmen unterdrückt. Die Stadt wurde zum „Neuen Jerusalem“ erklärt. 1535 beendeten die Truppen des Fürstbischofs die Herrschaft. Die Anführer wurden hingerichtet, ihre Leichen in Eisenkäfigen an der Lambertikirche aufgehängt. Die Käfige sind bis heute erhalten.
Wie viel der Überlieferung über Münster historisch zutrifft und wie viel davon durch konfessionelle Gegnerschaft überformt wurde, ist schwer zu beurteilen. Unbestritten ist jedoch, dass die Ereignisse in Münster die Wahrnehmung der Täufer nachhaltig prägten. Gewaltlose, gemeinschaftlich organisierte Täufergruppen distanzierten sich später von Münster. Die politische Wirkung der Ereignisse war dennoch erheblich. Die Bewegung wurde weiter kriminalisiert. Ihre Mitglieder galten als gefährlich – auch wenn sie keine Gewalt anwendeten. Bis heute wird das Täufertum von Vertretern der Konfessionskirchen meist verurteilt.
Im 18. und 19. Jahrhundert emigrierten zahlreiche Täufergruppen nach Nordamerika. Dort konnten sie ihre Lebensweise in größerer Unabhängigkeit organisieren. Bis heute existieren zahlreiche täuferische Gemeinschaften in den USA und Kanada. Zwei der bekanntesten sind die Amischen und die Hutterer.
Die Amischen lehnen den Militärdienst ab, taufen ausschließlich Erwachsene und leben in bewusst abgeschiedenen Siedlungen. Elektrizität, Autos und moderne Technologie werden weitgehend vermieden. Ihr Lebensstil gilt vielen als rückständig. Dass ihre Wurzeln in einer der radikalsten reformatorischen Bewegungen liegen, ist weniger bekannt. Die Amischen berufen sich auf Prinzipien, die im 16. Jahrhundert als revolutionär galten – und auch heute nicht selbstverständlich sind: Gewaltverzicht, individuelle Glaubensentscheidung, Ablehnung obrigkeitlich gesteuerter Religion.
Die Hutterer führen ihr Erbe direkt auf Jakob Hutter zurück. In Kanada und den USA leben sie in Kolonien mit gemeinschaftlichem Eigentum, kollektiver Entscheidungsstruktur und klaren religiösen Regeln. Der Schulunterricht findet intern statt, die Organisation ist basisdemokratisch, der Lebensstil schlicht.
Heute werden die Täufer vielfach als historische Randnotiz wahrgenommen. Ihre Ideen jedoch – keine Kindertaufe, kein Kriegsdienst, kein Eid, keine Verquickung von Religion und staatlicher Macht – markieren einen Bruch mit der religiösen Norm ihrer Zeit. Die Bewegung wurde verfolgt, weil sie eine andere Ordnung lebte. 500 Jahre nach ihrer Entstehung bleibt ihr Erbe sichtbar – in Nordamerika, in den Quellen der Reformationsgeschichte, und in einer Reihe von Prinzipien, die damals riskant waren und heute als Grundwerte gelten.
In Deutschland erinnert eine ganze Reihe an Veranstaltungen und Ausstellung an die Täufergemeinschaft. Unter dem Motto „Gewagt! 500 Jahre Täuferbewegung 1525 –2025“ wurde das Jahr 2025 gefeiert.






